Lass die Sau raus!


Wie so oft in den vergangenen Tagen lässt Klaus Memmler einen prüfenden Blick über die Schweineweide schweifen: Soll ich die Schwäbisch-Hällischen rauslassen? Im Stall des Bauers in Frankenhardt-Hirschhof warten 28 so genannte Börge, wie die männlichen kastrierten Tiere heißen, dass sie endlich an die frische Luft dürfen.

 

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Börge in Memmlers Stall warten darauf, dass sie an die frische Luft dürfen.

 

Der natürliche Lebensraum des Schweins ist nämlich nicht der Stall, wie viele wohl annehmen. Ursprünglich lebten die Vorfahren unserer Hausschweine auf der Weide oder in Wäldern und suchten sich ihr Futter selbst. Diese Art der Haltung hat nicht nur in Spanien, wo der berühmte Schinken Pata Negra erzeugt wird, sondern auch in Hohenlohe Tradition: Noch bis in die 1940er Jahre trieben Hirten ihre Schweine in die Hohenloher Eichen- und Buchenwälder, damit sie sich dort mit den kostenlosen Waldfrüchten versorgen konnten. Diese Nahrung ist zudem besonders reich an Kohlehydraten und Proteinen.

 

Memmlers Zögern hat einen guten Grund. Lachend erinnert sich seine Frau Beate an das vergangene Jahr. Kaum waren die Tiere draußen, schlug das Aprilwetter zu – mit verheerenden Folgen. Der angrenzende Bach trat über das Ufer und überschwemmte die Weide, nur noch die Schutz gebenden Holzhütten und der Fressplatz ragten aus dem See heraus. Guter Rat war teuer: Wie sollten sie die Tiere in dem weitläufigen Gelände einfangen? Schließlich hatten die Landwirte eine pfiffige Idee: „Wir haben die Schweine mit einer Eichelspur zurück in den Stall gelockt, bis sich die Situation entspannt hatte.“

 

Vor einigen Jahren hat die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall die alte Tradition der Weidehaltung wiederbelebt. Hier suchen sich die Schwäbisch-Hällischen ihr Futter: Eicheln, Wurzeln, Kräuter und Beeren. Zusätzlich bekommen die Tiere Getreideschrot aus den klassischen Hohenloher Getreidearten Gerste und Weizen, Bohnenschrot als Eiweißkomponente sowie 20 Prozent Eicheln zu fressen – und natürlich genug frisches Wasser. Maximal 15 Tiere werden pro Hektar gehalten, damit sie mit ihrem Wühltrieb die Wurzeln der Bäume nicht schädigen. Doppelte Zäune als Korridor schützen die Schweine auf der Weide vor möglichen Krankheitserregern der Wildschweine, Weidehütten vor der Witterung. Die alte Landrasse ist für diese Art der Haltung besonders geeignet: Sie ist robust und aktiv.

 

Die Zeit von Frühling bis Herbst verbringen die Schweine auf Weide. Das gute Futter und das wilde Leben bekommt den Schwäbisch-Hällischen. Die Tiere wachsen deutlich langsamer heran als ihre im Stall gehaltenen Artgenossen. Nach der Eichelmast, die bis Ende Oktober währt, werden die knapp ein Jahr alten, zwischen 130 und 150 Kilogramm schweren Schweine geschlachtet. 

 

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Kurt Memmler am Zaun zur Weide: Alles passt, alles ist dicht.

 

Kurt Memmler nickt seiner Frau zu. Er hat sich entschieden: „Diese Woche lassen wir die Säue raus.“ Dann haben die Spaziergänger rund um Frankenhardt-Hirschhof wieder eine Attraktion, die sie bestaunen können. Schweine auf der Weide - wo gibt es denn so was? Natürlich in Hohenlohe.


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