Transparenz vom Acker bis zum Teller


Im Supermarkt bis zur Unkenntlichkeit in Kunststoffschalen abgepackt, mit Kunststofffolie umwickelt: Mehr sieht der Verbraucher vom Fleisch erst, wenn er das Schnitzel in die Pfanne gibt. Das Tier, das geschlachtet wurde, und der Landwirt, der es aufgezogen hat, bleiben anonym. Damit will ein neues Konzept Schluss machen – Transparenz vom Acker bis zum Teller haben sich Protagonisten einer neuen Food-Szene in Berlin auf die Fahnen geschrieben. Ein Beispiel, das Schule machten sollte.

 

Früher war die Partnerschaft zwischen Landwirten und Metzgern noch eng, das Verhältnis vertraut. Der Metzger fuhr aufs Land und suchte sich beim Bauern selbst die wohlgemästeten Schweine aus, die er schlachten wollte. Danach zerlegte er in seiner Metzgerei das komplette Tier und verkaufte Stück für Stück an Konsumenten, die noch etwas anzufangen wussten mit Teilen wie Schweinekopf, -bauch oder Innereien. Denn mehr als zwei Filets gibt ein Schwein einfach nicht her. Doch welcher Verbraucher heute hat noch Ahnung von Landwirtschaft und Handwerk? Die Entfremdung der Konsumenten von der Herkunft ihres Schnitzels ist komplett – und hat schlimme Folgen. Denn mit mangelnder  Wertschätzung steigt der Konsum: viel und billig lautet die Devise.

 

Dem Landwirt, dem Tier und dem Metzger ihre Würde zurückzugeben ist das Anliegen einer  neuen Generation, wie sie beispielsweise in der Berliner Markthalle Neun anzutreffen ist. Fleischermeister (im Süden sagt man Metzgermeister) Jörg Föstera mit seinen Tattoos am Hals sieht so gar nicht aus, wie man sich landläufig einen Metzger vorstellt. Hier, im Herzen von Kreuzberg, betreibt er eine Metzgerei, die als Hällische Botschaft firmiert. „Im Wortsinn, denn wir verstehen uns als Botschafter der Haller Bauern“, sagt der 26-Jährige. Die Beziehung zu den Landwirten in Hohenlohe ist eng, der Berliner war im Süden zu Besuch, hat die Höfe be- und das Gespräch mit den Bauern gesucht. Er kann den Kunden also Auskunft geben, woher das Fleisch kommt und wie die Schweine gelebt haben.

 

Wie sie die Schwäbisch-Hällischen Schweine zum Schnitzel werden, können die Kunden bei „Kumpel & Keule“ selbst miterleben. Denn die mehrere Meter lange Metzgerei ist wie eine moderne Restaurantküche komplett verglast. Vor den Augen seiner Kundschaft zerlegt Föstera minutiös die Hälften der Schwäbisch-Hällischen Schweine und lässt sich auch bei der Wurstherstellung zuschauen. Das komplette Tier wird verwertet – ganz nach der Devise „Nose to tail“ (von der Schnauze bis zum Schwanz). 45 bis 50 Kilogramm wiegt so eine Schweinehälfte, das Filet gerade mal 400 bis 500 Gramm, ein Hundertstel. Zum Konzept gehört also auch, den Kunden Lust zu machen auf die vielen anderen Stücke oder auf Innereien.

 

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Rudolf Bühler, selbst Bauer und Retter des Schwäbisch-Hällischen Landschweins, ist von dem  Konzept überzeugt. „Mit gutem Essen in diesem Sinn unterstütze ich eine gute Landwirtschaft“, sagt er, „und unsere Bauern haben Perspektiven.“


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